Wo das Glück herkommt


 

Mehrere Generationen junger Menschen haben nun erlebt, dass man unheimlich viele Dinge einfach "bekommt".  Sie haben eine Beruf bekommen. Ein Auto bekommen. Ein Haus bekommen. Einen Lebenspartner bekommen. Kinder bekommen. Ferien bekommen. Gesundheit bekommen.  etc.   Manchmal haben Sie auch etwas nicht bekommen. Heute betreiben manche Frauen geradezu einen "Aufstand",  um Kinder zu bekommen.

 

Irgendwie hat eine ganze Generation den Eindruck gewonnen, dass man glücklich wird, indem man bekommt. Sie können auch dann nicht davon lassen, wenn die ganzen bekommenen Dinge sie jetzt krank, frustriert und unglücklich gemacht haben: der falsche Mann, das falsche Auto, die falschen Kinder, das falsche Haus,  die falsche Liebe........

 

Es ist also nicht verwunderlich, wenn dieser Generation  zu jedem Problem nur eine Lösung einfällt: Noch mehr bekommen. Noch mehr kaufen. Noch mehr konsumieren. Noch mehr Geld.  (dass die Übersetzung von Geld eigentlich "Möglichkeiten" lautet, wird gern vergessen). 

 

Das ganze System fällt bei immer mehr dieser Menschen nun in sich zusammen: Sie werden krank, weil sie gut schmeckende schlechte Ernährung bekommen haben, und suchen die Lösung im Glücksspiel. Sie verunreinigen ihre Begabung, können plötzlich nicht mehr schlafen..und glauben beides durch einen Schlafspray ausgleichen zu können. Sie sind für viel Geld in Urlaub gefahren,  jetzt kaufen sie stattdessen Lottoscheine.. .......offenbar sind sie alles andere als glückliche Menschen geworden. Je mehr sie bekommen oder auch nicht bekommen - es ist völlig - egal. Sie werden immer unglücklicher werden: Die neuere Wissenschaft beschreibt es so: Ihr Belohnungssystem ist kaputt.

 

Jetzt wird es an der Zeit zu fragen,  wo das wahre Glück eines Menschen herkommt: 

 

Da steckt der Fehler schon in der Frage:  Das wahre Glück eines Menschen wird einem am Tag der Geburt geschenkt. Man schreit bei der Geburt, weil alles neu ist und man diese irre Gelegenheit, sich mal so richtig auszuschreien, sofort mal nutzen muss. Aber ansonsten ist das eigene Leben, das eigene Atmen, sehen, fühlen endlich da:  Man hat Angst und ist zugleich begeistert.  Durch Mamas Zuwendung überwiegt die Begeisterung.

 

Von diesem Moment an, ist das Glück da und der einzige, der es trüben oder zeitweise verdunkeln kann, ist man selbst.  Das stimmt nicht ganz, weil man ja als Kind noch abhängig ist: von der Zuwendung und der Liebe der Mutter.

 

Und  zu der Zuwendung gehört auch die Milch der Mutter.  Das ganze Konzept des Bekommens ist also in gewisser Weise eine Fortsetzung der Muttermilch.  Es gibt also sicher 20, 30 oder 50-jährige, die durch das ewige "Bekommen" immer noch ein "emotionales Baby"  geblieben sind. Und sich auch abhängig glauben. Das Konzept des Beanspruchens und Bekommens hat tatsächlich etwas von der kindlichen Abhängigkeit von der Mutter.

Und ich kenne auch tatsächlich eine Reihe von Menschen, die emotional nie Er-Wachsen geworden sind.

 

Aber die Mehrheit der heutigen Erwachsenen hat sich nur durch glückliche Umstände (lange Friedensphase nach dem 2. Weltkrieg)  zu dem  bequemen Bild verleiten lassen:  Bekommen = Glück. Und:  mehr Bekommen = mehr Glück.

 

Sie haben gar nicht bemerkt, dass Sie damit an dem Versprechen der Mutter,  fortgesetzt für Milch zu sorgen, festgehalten haben.  So sind die Mütter nach dem 2. Weltkrieg ja auch zu recht stolz, dass sie es zumeist geschafft haben, dass ihre Kinder nie hungern mussten. Sie selbst haben schließlich den Hunger, die Armut und den Mangel als großes Unglück erlebt.

 

Die Kinder dieser Kinder sind heute aber oft krank, oft unglücklich, oft frustriert.. und zugleich anspruchsvoll ... das "tägliche Brot" reicht längst nicht mehr.  Mehr zu bekommen, mehr zu fordern, ist die neue Suche nach dem Glück geworden.

 

Tatsächlich ist Glück aber etwas ganz anderes. Wahres Glück eines Menschen, der sein tägliches Brot und ein Dach über dem Kopf hat und gesund ist, ist etwas ganz anderes: Es entsteht dadurch, dass man sich fragt, was man aus dem, was man bekommen hat, gemacht hat.  Hat man daraus gelernt, dass man zuerst den falschen Partner gewählt hat. Hat man zum Beispiel verstanden, dass man den falschen Partner nur gewählt hat, weil man nicht gelernt hat, allein zu sein. Hier geraten wir in den Prozess, der uns letztlich glücklich machen kann:  unsere Begabungen und Fähigkeiten so zu entwickeln, dass sie uns beglücken. Bei Problemen zu fragen: Welche Fähigkeiten sollte ich mir jetzt beibringen?  Nur wer das fragt und es auch umsetzt, erntet Freiheit.  Auch das, was wir bekommen, ist eigentlich nur eine Chance uns weiterzuentwickeln.  Dass es dabei eher um das Gegenteil  von "mehr bekommen" geht, haben schon die alten griechischen Philosophen verstanden:  Wer keine Selbstgenügsamkeit erlernt, wird niemals genug haben und niemals glücklich werden. Nur einer von 100 Erwachsenen beherrscht die Fähigkeit zur Selbstgenügsamkeit, zeigt eine von mir selbst durchgeführte Studie. Die Philosophen entdeckten noch eine zweite Fähigkeit, die Bedingung ist für wahres Glück. Epikur hat sie beschrieben, aber heute wird sie zumeist Flow genannt. Ich möchte sie einmal prosaisch beschreiben:  "Die Fähigkeit, im jetzigen Augenblick zu Hause zu sein".   Tatsächlich sind immer weniger Menschen zu Hause, wenn man bei Ihnen an die Tür klopft. Oder die Menschen sind auf der Flucht oder der Suche nach "mehr bekommen", "jemand zu sein oder zu werden" (völlig illusorisch - gehen sie auf einen Friedhof - und sie  erkennen es), oder den Erwartungen Dritter zu entsprechen (dumm, bald schon wird man sich an diese Menschen nicht mehr erinnern).

 

Zusammenfassung:  Das wahre Glück eines Erwachsenen kommt daher, weil er seine Talente und Fähigkeiten optimal einsetzt, weil er als Antwort auf Probleme neue Fähigkeiten erlernt: insbesondere  Selbstgenügsamkeit und "jetzt zu Hause sein".  Und vielleicht findet er auch seine  Lebensaufgabe.

 

Es ist also nicht das Bekommen von Gütern, Geld oder Beziehungen, die uns glücklich machen.  Es ist deren Erringen, wenn es zu Selbsterkenntnis, Selbstgenügsamkeit und Flow führt - vielleicht zu unserer Lebensaufgabe - was zu Glück führt.

 Docwunderbar,  am 5.6.24